Wie gehe ich damit um, wenn jemand, den du lieb gewonnen hast, stirbt?

Es gehört zum Menschsein dazu, geboren zu werden und zu sterben und doch reißt es uns Menschen immer in eine tiefe Traurigkeit, verursacht Wut und Gefühle der Ungerechtigkeit, der Hilflosigkeit und der Angst… was bedeutet das Sterben eines vertrauten Menschen für mich?

Meine beste Freundin ist gegangen, nach chronischer Krankheit.

Das Ausmaß ihrer Krankheit war prognostiziert als kaum heilbar, und es geriet letztes Jahr in Vergessenheit, weil sie als Mensch sooo lebendig war. Als es schrittweise in die unausweichliche Wahrheit des baldigen Todes ging, gab es einige die meinten, es muss ein Wunder geschehen, sie muss gesund werden… 

Ich habe eine leicht andere Haltung dazu, ich wünsche mir auch sie wäre jetzt noch hier… achhh. Ich vermisse sie einfach….

Es war so, dass wir teilhaben durften, letztes Jahr, an einem, 

an ihrem Wunder.  

Meine Freundin hat uns im letzten Jahr mit herzlichen, unvergesslichen Erinnerungen beschenkt. 

Ein wundervolles Geschenk- dafür bin ich unendlich dankbar … in der Rückschau wird einem vieles bewusster.

In unseren kleinen Menschen Köpfchen schaffen wir uns Gedanken, dann hoffen wir, dass die Hoffnung zuletzt stirbt. 

Wir hoffen, dass alles gut wird.

Wir hoffen, dass es vielleicht so bleibt, wie wir denken, und uns wünschen es soll sein.

Wir wollen nicht unglücklich werden, es macht uns Angst weil wir ahnen der Verlust zerstört all das was wir lieben, was uns wichtig ist, wovon wir Teil sind.

Wir können und wollen nicht loslassen. 

Verlust macht uns handlungsunfähig, tieftraurig, und es wird leidvoll sein…. SCHOCK

Wir hoffen, weil wir nicht wollen

Wir hoffen, dass wir verschont bleiben…

Wie gingen Menschen in früherer Zeit mit Sterben und Tod um?

Mit einer kurzen Lebenserwartungszeit, hoher Sterblichkeitsrate im Kindesalter, ungenügende Hygiene und Nahrungsversorgung, Hunger und Kriege, krassen unüberwindbaren gesellschaftlichen Schichten und damit verbundenen Ungerechtigkeiten (aus heutiger Sicht)… der Tod und das Sterben waren allgegenwärtig und nichts ungewöhnliches. Dies soll nicht den Schmerz und das Leid negieren, denn wenn eine Liebe geht, ist es immer unfassbar schlimm.

Und doch schienen die Menschen früher eher dadurch dem Leben mehr abzugewinnen. Sich seiner Sterblichkeit bewusst sein…von den Bestattungsritualen, den Bildern von Memento Mori, den Totenmasken und Totenfotografien… bis hin zum Trauerjahr.

Gekleidet in komplettem Schwarz zeigt man den Mitmenschen äußerlich seine Trauer. Diese reine formale Hülle gibt es sicherlich kaum noch, und wenn, vielleicht auf dem Land. Hohe Moral und Ethik Ansprüche verlangen gerade danach. In einem Dorfsystem eingebunden, fällt es schwer sich den entgegenzustellen. Dazu gehört Mut und Kraft und die ist einfach in der Trauerzeit nicht vorhanden. Da geht es oft ums täglich Überleben in einer neuen Situation.

Ich kann mich erinnern als mein Vater starb und meine Mutter das erste halbe Jahr in schwarz gekleidet war. (Ich bin Dorfkind- sprich: Familie war im Dorfsystem eingebunden). Bei einer schwarze Bluse, die ganz kleine helle Punkte hatte, stockte sie und wollte sie nicht tragen- ihre Aussage: “was werden die Leute sagen…“

Somit hatte sich ein Trauernder nicht nur äußerlich von den anderen Menschen abzuheben, bzw. auszugrenzen, sondern auch urmenschlichen Bedürfnisse, sollten „hinten anstehen.“ Vielleicht hätte sich der Verstorbene gerne Farben gewünscht und nicht monoton black…oder einfach herzlich lachen. Ich kann sagen es hat Freude gemacht einen Grabstein mit dem Ehemann der Freundin auszusuchen. Es gibt herzlich fröhliche Momente. Trotz Trauer und Traurigkeit. Ein “sowohl als auch”- bitte kein “entweder- oder”.

Trauern in schwarzer Kleidung… vielleicht hat man im Innern sich schon längst vom Partner / der Partnerin gelöst, vielleicht war es keine tolle Ehe, vielleicht war es ein überforderter Vater oder eine liebelose Mutter, oder ein zu zartes Kind, was ungewollt war und es in der Familie noch 5 weitere Hungrige im Kindesalter waren….vielleicht war alles eben auch ganz normal und/ oder vom Herzen voller Liebe.

Ist es unfair, den Blick auf diese Zeit mit unserem heutigen Verständnis zu richten?

Wer bin ich, dass ich urteile und behaupte, dass trauern in schwarzer Kleidung doof ist… vielleicht brauchte es genau das. Vielleicht erhielt man dadurch erst die Möglichkeit einer inneren Stille und man durfte sich zurücknehmen, durfte anders sein, um sich mit dem Todesfall auseinander zu setzen….Kleidung war ja oft mit Ständen und dem Status verbunden. Und Angehörige haben einen Trauerbonus- sollte unbegrenzt sein. Keiner von aussen kann urteilen und bewerten wie es einem innerlich geht. Das ist übergriffig und inhuman. Doch wir leben in einer Leistungsgesellschaft, und versuchen Erwartungen zu erfüllen und das bewirkt dass man “dann mal wieder” funktioniert. Etwas für sich zu tun, wieder selbst wirksam werden, da kann zB. Arbeit wunderbar sein. Und ich wünsche allen Trauernden ein Umfeld das offen ist- auch für traurigen Austausch. Nicht mitleidige Blicke und aus Unsicherheit gar nix sagen, sondern einfach umarmen. Man muss gar nicht viel reden. ( toller Lerneffekt: einfach zuhören- tut beiden Parteien gut!)

Bitte nicht noch Trauernde und Traurige “schonen” also in Ruhe lassen wollen- Trauer braucht Austausch. Daheim allein spiralt sich eh alles wieder hoch. Einsamkeit gepaart mit Trauer ist der traurigste Schmerz.

Was macht Sterben, Trauern, Leid heute mit uns? Viele wollen sich nicht darüber unterhalten, verdrängen, nicht damit beschäftigen. Es ist ein Tabu- Thema. 

Wobei es einem ja klar sein sollte, dass jeder irgendeinmal gehen wird – und da sind wir ganz ungeheuerlich unehrlich mit uns selbst.

Wer sich mit Geschichte beschäftigt hat eigentlich nur mit Toten zu tun. Das sind die Menschen, die eine Spur hinterlassen haben, ob klein – als Familien Mensch oder mannigfaltiger, historisch durch Ereignisse belegt. Wir alles sind irgendwann einmal Geschichte… und das ist uns oft in unserem täglichen Alltagsleben nicht klar. Wir funktionieren, schaufeln Materie an, sind erfolgreich oder weniger, leben zur Miete oder bauen ein Haus, gründen Familien oder bleiben allein….

Das Sterben eines lieben, vertrauten Menschen bewirkt oft ein Innehalten. Unfreiwillig. Man wird in die Veränderung gezwungen.

Was man damit macht bleibt ein Weg, den jeder für sich geht, im eigenen Tempo mit dem eigenen Vermögen und mit der eigenen Kraft. Schritt für Schritt.

Trauer ist ein Prozess- es gibt kein terminiertes Endergebnis oder einen Ablaufplan, sondern die Trauer wird bleiben, sie wird sich jedoch verändern.

Trauern ist für jeden Menschen ganz unterschiedlich- jeder geht anders damit um. Jeder macht seine eigenen Erfahrungen damit, es gibt keine Zeitfrist – trauern ist etwas ganz Persönliches. 

Ich habe mich entschieden durch die Trauer durchzugehen, nachzuspüren was es bei mir auslöst und wo es schmerzt – im Körper. Da ich ja eine Plörreliese bin, also sehr nah am Wasser gebaut, kommen die Tränen- Bäche. Und es fühlt sich irgendwie heilend an miteinander zu weinen. Vielleicht ist dies ja sogar wissenschaftlich belegbar.

Ich habe mich auch dazu entscheiden mein Leben in der Zeit des Innehaltens anzuschauen und gegebenenfalls Veränderungen anzugehen. Ich lerne gütiger mit mir und anderen umzugehen. Verständnisvoller, vielleicht weiser, mich nicht zu sehr aufzuregen über Dinge, die ich eh nicht ändern kann.  Und durch den Tod ein sinnvolleres Leben zu erfahren. Ob mir das gelingt- ich weiß nicht. Jedenfalls habe ich erstmal mir dies von der Seele geschrieben…. Und das ist wunderbar…

herzlichst

SANDRA

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